Diary

Montag, 11. April 2005

11/4/05

Es heißt, die Philosophen gingen früher spazieren, wenn sie denken wollten. Ich habe es tatsächlich geschafft, eine Stunde und vierzig Minuten lang durch die Hamburger Nacht zu laufen, vom Hafen bis zu mir nach Hause, ohne auch nur irgendetwas zu denken. Ich habe es geschafft, eine Stunde und vierzig Minuten lang zu fühlen. Zu fühlen, wie diese Stadt mich Zug um Zug einnimmt. Wie die Leute auftauen, speziell zu dieser dunklen Stunde, wenn man sie gradheraus anlächelt. Wie alles plötzlich ein Bild ergibt.

Es gibt Menschen, die verlieben sich auf den ersten Blick. Andere auf den zweiten. Ich brauche Hunderte, dann aber funkt's richtig.

Ich habe selten so viele Sterne gesehen. Das macht das Wasser. Es spielt den Spiegel für die Nacht.

Sonntag, 10. April 2005

10/4/05

Wieder einmal ein Übermaß an Beherrschung? Ich musste weinen und hab es nicht getan. Dabei kann man Tränen nicht nachholen. Es gab Zeiten, da habe ich, ich weiß es, zu viel geweint. Jetzt aber ist es zu wenig.

Ich mag diese klaren Hamburger Nächte. Die Sterne streiten um Aufmerksamkeit, das Wasser schläft beizeiten und Gheorghius "Casta Diva" läuft im Endlos-Repeat. Eine Stimmung, als gäbe es eine Stadt hinter der Stadt. Wem man jetzt begegnet, dem begegnet man immer wieder. Was man jetzt fühlt, das bleibt.

Manche Menschen sind sonntags wie verwandelt. Ich verstehe das nicht.

Samstag, 9. April 2005

9/4/05

Wir glauben immer, wir hätten unendlich viel Zeit. Tatsächlich ist das Leben viel zu kurz für halbe Sachen.

Freitag, 8. April 2005

8/4/05

Ich bin in dieser verdammten An-die-Decke-starren-und-Klassik-Radio-hören-Stimmung. Normalerweise ertrage ich das nicht. Und nun seit Wochen mal wieder so eine Wahnsinnsruhe. Manchmal vergesse ich zu atmen. Dann schrecke ich auf, weil ich Herzrasen habe. Kann man so sehr entrücken?
Die Abendsonne malt das Haus drüben gelb an. Der Himmel dahinter sucht nach einem angemessenen Blau. Auch so eine ungeschriebene Regel der täglichen Gemeinheiten: Es klart immer erst auf, wenn die Sonne schon am Abschiednehmen ist.

R. erzählt vom Schalk in mir und dass ich immer so herrlich quer läge. Er sollte mich längst besucht haben. Aber ich kann ihm nicht böse sein. Wenn ich an ihn denke, ist alles groß und still und jeder Atemzug, ja, jeder Gedanke hörbar.

A. will endlich ein bisschen erwachsener werden. Dabei ist und bleibt er ein verträumtes Eichhörnchen. Seltsame Vorstellung: ein erwachsenes Eichhörnchen. Das geht fast gar nicht.

Und ich? Liege, höre Klassik-Radio und scheitere zum dritten Mal daran, Henry Miller zu lesen. Zu viel von Clowns und alledem. Ich muss raus.

7/4/05

Ich will wirklich in die Schweiz. M. sagt, alle wollen das. Aber das ist etwas anderes.

M. sagt, komm nach Berlin. Aber nach Berlin zu gehen ist wie nach New York zu wollen und den Mut nicht zu haben.

Was aber, wenn ich einfach nur nicht eingestehen mag, endlich in der Stadt angekommen zu sein, die mir immer nur Unglück bedeutete?

-- Das Herz ist weiser, als es der Kopf je sein wird.

Donnerstag, 7. April 2005

6/4/05

Es gibt diese Tage, die vorbei sind, ehe man in ihnen erwacht  ist. Der Mittwoch ist prädestiniert dafür: unentschlossen, wankelmütig. Die Woche ist nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht richtig alt. Selten wähnt man sich so unberechtigt so sicher. – Ich bin der personifizierte Mittwoch.

Ich will: endlich wieder vernünftig essen, Musil lesen, Sommer, in die Schweiz, den 2003er Riesling vom Ostersamstag an der Gera.

Gibt es wirklich nur die Wahl, mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen oder zu fliegen? Kann ich nicht einfach schweben?

Read along!

F. Scott Fitzgerald
The beautiful and damned

Frederic Beigbeder
Windows on the world


Listen up!

Break new ground!

11/03/06
Schnee in Hamburg, wie ich ihn nie sah. So lebendig...
typewriter - 2006/03/11 23:10
Wann genau ...
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26/12/05
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typewriter - 2005/12/26 17:11

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