Live Book
.. Begebenheit ..
Immer hast du den letztmöglichen Zeitpunkt erkannt, die Tür zu öffnen. Dieses Mal nicht. Nun, da wir uns verloren haben, da du unsichtbar bist für mich, kann ich beginnen, dich zu finden.
Meine stärkste Erinnerung: dein Nicht-da-sein. Das Wichtige hat dich zu oft überfordert, ich habe dich zu oft überfordert. Meine Zerbrechlichkeit war dir fremd, der du stets stark sein musstest. Mit ihr konntest du nicht umgehen, also hast du sie geflohen. So warst du immer dann nicht da, wenn es wirklich zählte. Ein Kreislauf, der uns nie zu Kräften kommen ließ.
Meine erste Erinnerung: deine Art zu arbeiten. Deine natürliche Autorität über die Menschen, solang die Kamera zwischen euch steht. Deine Größe auch und die Konzentriertheit. Ich kenne noch das Gefühl, als diese Konzentriertheit das erste Mal auf mich fiel. In deinem Fokus zu sein hat etwas Verunsicherndes wie Wohltuendes. Hinter der Technik dich zu spüren, das war für mich immer etwas sehr Präsentes, danach nie wieder Erlebtes, bei keinem Fotografen der Welt. Wie ich hast du ein Talent, ein Geschenk, und es ist eine Schande um jede Berghütte, die du damit ablichtest anstatt eines Menschen, einer Geschichte.
Das Gleiche personal?
Die Duplizität der Ereignisse
Wann genau war der Moment, in dem ich mich von deinem Bild gelöst habe? In dem die Erinnerungen anfingen, ein Gefühl zu werden? (Das als Aussage.) Es ist so, dass mir Bilder von dir nichts mehr sagen, also Bilder, auf denen du zu sehen bist. Bilder, die du machtest, schon. Ich werde sie, langsam, alle abnehmen. Ich habe sie verinnerlicht. Aber sie sind nicht mehr mein Leben. Sie sind fremd, wenn sie mich anstarren.
Versuchen, Momente zu reproduzieren. Gedanken verdrängen. Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm. Unsere kleine Stadt. Das Marktcafé. Ich mit Celan im Kopf und du mir gegenüber. Was waren wir uns damals? Du mir: Großer Bruder, tatsächlich, das zählt. Wie viel mir das bedeutete, hast du nie verstanden, und noch weniger meine Verletztheit, als das für dich zur austauschbaren Floskel wurde. Ich dir: Das habe ich nie gewusst. Bis zuletzt nicht. Bis heute nicht. Immer nur eine Ahnung. Damals wohl: ein Mädchen, das faszinierte, weil es so seltsam war, weil es dich rührte. Ich las diese Zeilen dir vor und wusste, Celan kann man nicht verstehen wie eine Bedienungsanleitung. Celan muss man fühlen. In mir war (eine?) tiefe Trauer. Du sahst mich an und warst ratlos. – Diese Situation in der Endlosschleife. Meine Trauerund gegen deine Ratlosigkeit. Immer und immer wieder.
Wenn es einen Anfang gab, dann war es dieser: die Dunkelkammer, natürlich die Dunkelkammer. Eine Berührung nur und ein noch nicht mal darüber Nachdenken. Aber ein Gefühl. Später vielleicht auch dies: deine Bilder neben meinen Texten, meine Texte neben deinen Bildern. Das unbewusste, ja beinahe vorgegebene Aufeinandereingehen. Vielleicht auch ein Aneinandermessen. Auf jeden Fall ein Sichergänzen. So hat sich jeder dem anderen anvertraut, auf einer dritten Ebene. Die war unverfänglich (besseres Wort!), das musste sie sein. Aber wir habenes uns verstanden.
Ich muss aufpassen, dass ich bei dir bleibe und nicht zu weit zu mir gerate. Manchmal ist es dasselbe, und die Grenze verschwimmt. Dann die Richtung behalten. Zuerst die einfachen Dinge verstehen, sich dann an die schwierigen wagen. Stufe für Stufe. Hauptsache: irgendwann ankommen. Sich auch nicht verlieren.
Wir existieren immer mehrmalsfach. Du wie du lebst und du, als den ich dich sehe, und du, als den andere dich sehen und gesehen haben. Du, wie du heute bist, und du, wie du damals warst, aber auch du, wie du heute wärest, wenn du dich irgendwann anders entschieden hättest. So viele Variationen von dir wie von mir. Doch was ist der Kern? Was ist allen gemeinsam? Gefühle vielleicht, Verhaltensmuster. Du immer ein bisschen zu spät (hinterher?), ich immer ein bisschen zu früh (voraus?) – vielleicht ist es das. Wie oft haben wir uns eigentlich verpasst, und woher kam das Wunder, dass wir dennoch fanden – uns und einander? (Weniger Fragen)
Die Ebenen verschmelzen lassen
Du hast immer etwas vermisst. Du hast Menschen verglichen. Für dich war ich dies und das (was eigentlich?), aber anderes n i c h t. Für mich warst du immer nur, was du mir warst, und nie, was du mir nicht warst. (verständlicher machen) Deswegen kannst du jetzt sagen, du findest bei deiner Frau, was du bei mir vermisstest – aber eben auch umgekehrt. Ich kann das nicht. Ich kann sagen, dass ich d i c h vermisse. Mit F. hat dasaber nichts zu tun. (Ich würde von Felix nicht wollen, wie du zu sein. Dann wär er ja auch nicht mehr er.) So haben wir von Grund auf unterschiedliche Ziele verfolgt unterschiedliche Ansprüche an ein und dasselbe. Wie klar das plötzlich alles ist. Nur dass L(i)eben (wie nah diese Wörter beieinander sind: Leben und Lieben, live und love, was uns das sagt…) eben nicht mit Analyse funktioniert. Nicht in der Gegenwart.
Dass es nur Monate sind seit allem. Mein Leben ist so weit weg. Du hast gewusst, dass es so kommen würde, eher als ich. Du hast vor allem gewusst, dass es für mich so kommen muss. Deshalb hast du mich weggeschickt. Du hattest Argumente, wo ich Gefühle hatte. (Auch das schon immer eigentlich.) Der Nachmittag, als ich in Erfurt vor dir zusammengebrochen bin, das nicht von mir zu verlangen. Meine Furcht war für dich nicht überzeugend. Ich habe getrotzt, mich gewehrt und die Augen zugehalten. (Ich wusste, das Gehen Zurücklassen bedeutet, und dass ich das gar nicht wollte.) Und dennoch bin ich gegangen, weil alles trotz allem so kam. Weit weg habe ich geweint und gelitten, geflucht und gefleht. Und dennoch bin ich geblieben, weil alles trotz allem so kam.
Es gab eine Zeit, als die Waage umschlug. Ihr nachspüren.
Jetzt ist Fremde für mich, was einst (die Zweigerichtetheit von einst ... nach vorn und zurück) Heimat war. Und Vertrautheit hier: am Wasser gehen und stehen, plötzlich Weite empfinden mitten in der Stadt (weil es geistige Weite ist), Veränderung spüren, sich mitnehmen lassen und inspirieren. Um mit mir bleiben zu können, hättest du mich gehen lassen müssen. Das war die einzige Chance.
Wer ordnet das alles?
Es vergeht kein Tag ohne dich. Ich frage mich, ob ich jemals zurückkehren kann. So wie ich für dich da bin, immer und überall, bist du für mich hier. Wir werden uns nie so gleichgültig sein, wie wir das gerne hätten. Die Frage ist, was wir verschenken. Die Frage ist, was wir aufgeben - aus Stolz, Ehrgefühl, Trotz.
Du hättest mit meinem Vater reden sollen. Eltern verstehen das nicht. Nicht meine. Ich habe nie erfahren, was genau du ihnen gesagt hast an diesem Sommernachmittag. Aber es muss sie zutiefst verletzt haben. War wahrscheinlich gar nicht deine Absicht. Darin bist du ja grosz: Gefühle oder Befindlichkeiten zerreiszen, ohne es zu merken. Ich wäre dir eine Hilfe gewesen, wenn ich gekonnt hätte. Aber diese Dinge machen mich ohnmächtig, das weiszt du.
Zurückfinden. Der Nachmittag mit den Pusteblumen. Einer unserer glücklichsten, glaube ich. Ich erkenne mich kaum wieder auf diesen Bildern. So zart. All das Elend danach hat mich bröckeln lassen im Innern und hart werden nach auszen. Nie wieder diese Leichtigkeit. - Später war ich zu schwach - und du nicht stark genug für mich.
Immer hast du den letztmöglichen Zeitpunkt erkannt, die Tür zu öffnen. Dieses Mal nicht. Nun, da wir uns verloren haben, da du unsichtbar bist für mich, kann ich beginnen, dich zu finden.
Meine stärkste Erinnerung: dein Nicht-da-sein. Das Wichtige hat dich zu oft überfordert, ich habe dich zu oft überfordert. Meine Zerbrechlichkeit war dir fremd, der du stets stark sein musstest. Mit ihr konntest du nicht umgehen, also hast du sie geflohen. So warst du immer dann nicht da, wenn es wirklich zählte. Ein Kreislauf, der uns nie zu Kräften kommen ließ.
Meine erste Erinnerung: deine Art zu arbeiten. Deine natürliche Autorität über die Menschen, solang die Kamera zwischen euch steht. Deine Größe auch und die Konzentriertheit. Ich kenne noch das Gefühl, als diese Konzentriertheit das erste Mal auf mich fiel. In deinem Fokus zu sein hat etwas Verunsicherndes wie Wohltuendes. Hinter der Technik dich zu spüren, das war für mich immer etwas sehr Präsentes, danach nie wieder Erlebtes, bei keinem Fotografen der Welt. Wie ich hast du ein Talent, ein Geschenk, und es ist eine Schande um jede Berghütte, die du damit ablichtest anstatt eines Menschen, einer Geschichte.
Das Gleiche personal?
Die Duplizität der Ereignisse
Wann genau war der Moment, in dem ich mich von deinem Bild gelöst habe? In dem die Erinnerungen anfingen, ein Gefühl zu werden? (Das als Aussage.) Es ist so, dass mir Bilder von dir nichts mehr sagen, also Bilder, auf denen du zu sehen bist. Bilder, die du machtest, schon. Ich werde sie, langsam, alle abnehmen. Ich habe sie verinnerlicht. Aber sie sind nicht mehr mein Leben. Sie sind fremd, wenn sie mich anstarren.
Versuchen, Momente zu reproduzieren. Gedanken verdrängen. Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm. Unsere kleine Stadt. Das Marktcafé. Ich mit Celan im Kopf und du mir gegenüber. Was waren wir uns damals? Du mir: Großer Bruder, tatsächlich, das zählt. Wie viel mir das bedeutete, hast du nie verstanden, und noch weniger meine Verletztheit, als das für dich zur austauschbaren Floskel wurde. Ich dir: Das habe ich nie gewusst. Bis zuletzt nicht. Bis heute nicht. Immer nur eine Ahnung. Damals wohl: ein Mädchen, das faszinierte, weil es so seltsam war, weil es dich rührte. Ich las diese Zeilen dir vor und wusste, Celan kann man nicht verstehen wie eine Bedienungsanleitung. Celan muss man fühlen. In mir war (eine?) tiefe Trauer. Du sahst mich an und warst ratlos. – Diese Situation in der Endlosschleife. Meine Trauer
Wenn es einen Anfang gab, dann war es dieser: die Dunkelkammer, natürlich die Dunkelkammer. Eine Berührung nur und ein noch nicht mal darüber Nachdenken. Aber ein Gefühl. Später vielleicht auch dies: deine Bilder neben meinen Texten, meine Texte neben deinen Bildern. Das unbewusste, ja beinahe vorgegebene Aufeinandereingehen. Vielleicht auch ein Aneinandermessen. Auf jeden Fall ein Sichergänzen. So hat sich jeder dem anderen anvertraut, auf einer dritten Ebene. Die war unverfänglich (besseres Wort!), das musste sie sein. Aber wir haben
Ich muss aufpassen, dass ich bei dir bleibe und nicht zu weit zu mir gerate. Manchmal ist es dasselbe, und die Grenze verschwimmt. Dann die Richtung behalten. Zuerst die einfachen Dinge verstehen, sich dann an die schwierigen wagen. Stufe für Stufe. Hauptsache: irgendwann ankommen. Sich auch nicht verlieren.
Wir existieren immer mehr
Die Ebenen verschmelzen lassen
Du hast immer etwas vermisst. Du hast Menschen verglichen. Für dich war ich dies und das (was eigentlich?), aber anderes n i c h t. Für mich warst du immer nur, was du mir warst, und nie, was du mir nicht warst. (verständlicher machen) Deswegen kannst du jetzt sagen, du findest bei deiner Frau, was du bei mir vermisstest – aber eben auch umgekehrt. Ich kann das nicht. Ich kann sagen, dass ich d i c h vermisse. Mit F. hat das
Dass es nur Monate sind seit allem. Mein Leben ist so weit weg. Du hast gewusst, dass es so kommen würde, eher als ich. Du hast vor allem gewusst, dass es für mich so kommen muss. Deshalb hast du mich weggeschickt. Du hattest Argumente, wo ich Gefühle hatte. (Auch das schon immer eigentlich.) Der Nachmittag, als ich in Erfurt vor dir zusammengebrochen bin, das nicht von mir zu verlangen. Meine Furcht war für dich nicht überzeugend. Ich habe getrotzt, mich gewehrt und die Augen zugehalten. (Ich wusste, das Gehen Zurücklassen bedeutet, und dass ich das gar nicht wollte.) Und dennoch bin ich gegangen, weil alles trotz allem so kam. Weit weg habe ich geweint und gelitten, geflucht und gefleht. Und dennoch bin ich geblieben, weil alles trotz allem so kam.
Es gab eine Zeit, als die Waage umschlug. Ihr nachspüren.
Jetzt ist Fremde für mich, was einst (die Zweigerichtetheit von einst ... nach vorn und zurück) Heimat war. Und Vertrautheit hier: am Wasser gehen und stehen, plötzlich Weite empfinden mitten in der Stadt (weil es geistige Weite ist), Veränderung spüren, sich mitnehmen lassen und inspirieren. Um mit mir bleiben zu können, hättest du mich gehen lassen müssen. Das war die einzige Chance.
Wer ordnet das alles?
Es vergeht kein Tag ohne dich. Ich frage mich, ob ich jemals zurückkehren kann. So wie ich für dich da bin, immer und überall, bist du für mich hier. Wir werden uns nie so gleichgültig sein, wie wir das gerne hätten. Die Frage ist, was wir verschenken. Die Frage ist, was wir aufgeben - aus Stolz, Ehrgefühl, Trotz.
Du hättest mit meinem Vater reden sollen. Eltern verstehen das nicht. Nicht meine. Ich habe nie erfahren, was genau du ihnen gesagt hast an diesem Sommernachmittag. Aber es muss sie zutiefst verletzt haben. War wahrscheinlich gar nicht deine Absicht. Darin bist du ja grosz: Gefühle oder Befindlichkeiten zerreiszen, ohne es zu merken. Ich wäre dir eine Hilfe gewesen, wenn ich gekonnt hätte. Aber diese Dinge machen mich ohnmächtig, das weiszt du.
Zurückfinden. Der Nachmittag mit den Pusteblumen. Einer unserer glücklichsten, glaube ich. Ich erkenne mich kaum wieder auf diesen Bildern. So zart. All das Elend danach hat mich bröckeln lassen im Innern und hart werden nach auszen. Nie wieder diese Leichtigkeit. - Später war ich zu schwach - und du nicht stark genug für mich.
typewriter - 2005/05/18 09:39
Trackback URL:
https://typewriter.twoday.net/stories/699046/modTrackback